„An heller Kleidung und Reflektoren führt kein Weg vorbei“

Lichtentwickler Markus Maier von Mercedes-Benz spricht über die Bedeutung von Licht für die Verkehrssicherheit von Kindern und neueste Trends in der Scheinwerferentwicklung.

Wann hast du erstmals bemerkt, dass Licht dein Element ist?

Licht fasziniert ja im Grunde jedes Kind, so war das auch bei mir. Während meines Physikstudiums habe ich mich dann erstmals mit den Hintergründen des Themenfelds beschäftigt und ein immer größeres Interesse entwickelt. Deshalb war für mich nach dem Studium klar: Entweder mache ich etwas mit Solarzellen, wo aus Licht Strom wird, oder eben mit LEDs, wo aus Strom Licht wird. Letzteres ist es geworden, worüber ich sehr glücklich bin.

 

Was macht das Thema Licht im Automobilkontext für dich so spannend?

Für mich sind das vor allem drei Aspekte: Erstens die große Sicherheitsfunktion von Licht, es geht um nichts anderes als sehen und gesehen werden. Aus meiner Sicht sollte jeder einmal erleben, welch riesigen Unterschied ein gutes Scheinwerfersystem ausmacht. Zweitens ist Licht  durch das Aufkommen von LEDs inzwischen ein zentrales Designelement jedes Autoherstellers. Die Scheinwerfer bestimmen, wie ein Auto aussieht. Und zuletzt finde ich es äußerst spannend, dass der Bereich super innovativ ist. Die Kombination aus diesen drei Punkten begeistert mich jeden Tag aufs Neue.

 

Wie hat sich die Technologie im Laufe der Jahre entwickelt?

Früher hatte man Leuchtmittel, die nur eine begrenzte Menge an Licht produzieren konnten. Das waren Halogenlampen. Irgendwann kamen dann Xenonscheinwerfer und mittlerweile sind wir bei der LED-Technologie angekommen. Der große Vorteil von LEDs ist ihre sehr hohe Energieeffizienz und ihre kleine Bauform. Je mehr LEDs eingesetzt werden, desto mehr Licht kann man produzieren. In unserer modernsten Technologie kann man sich den Scheinwerfer wie einen Beamer vorstellen, der das Licht in Form eines aus mehr als einer Million einzelnen Pixeln bestehenden Videos auf die Straße projiziert. Daher kommt auch der Name DIGITAL LIGHT. Hierdurch ergeben sich ziemlich große Freiheiten hinsichtlich der Lichtverteilung. Die Ingenieure können quasi bestimmen, wann und wo Licht ankommen soll. Das ist vor allem beim Fernlicht wichtig. Dieses können Autofahrer jetzt dauerhaft eingeschaltet lassen, weil eine Kamera am Auto entgegenkommende Fahrzeuge erkennt und diese anschließend gezielt aus dem Lichtkegel ausblenden kann. Dadurch verschlechtert sich also weder die Sicht für die Fahrenden, noch wird der Gegenverkehr geblendet.

Zur Person

Markus Maier, 45, ist promovierter Physiker. Für seine Doktorarbeit beschäftigte er sich mit Leuchtdioden und war in diesem Zusammenhang Teil eines größeren Forschungsprojekts, in dem es darum ging, einen LED-Scheinwerfer für Autos zu entwickeln. So kam er auch erstmals mit der Autoindustrie in Kontakt und landete schließlich im Jahr 2010 bei Mercedes-Benz in der Scheinwerferentwicklung. Dort war er in den vergangenen Jahren in die verschiedensten Phasen des Entwicklungsprozesses von Autoscheinwerfern involviert. Aktuell ist er Teil eines Teams, das für innovative Scheinwerfer zuständig ist. In diesem Zusammenhang beschäftigt er sich primär mit hochauflösenden Lichtsystemen wie etwa das angesprochene DIGITAL LIGHT.

Wie sieht die Zukunft der Lichtgestaltung in der Automobilindustrie aus?

Für Lichtverteilungen aus dem Scheinwerfer bietet DIGITAL LIGHT  unendliche Gestaltungsmöglichkeiten. LEDs bleiben dabei die Lichtquelle der Wahl und ich sehe aktuell auch keine Technologie, die LEDs innerhalb der nächsten zehn Jahre ablösen könnte. Das war in der Vergangenheit anders: Von Halogen über Xenon bis zur heutigen Technologie ist sehr viel passiert. Die LEDs selbst entwickeln sich allerdings immer weiter und deren Anwendung im Fahrzeug wird zukünftig nochmals deutlich steigen. Sowohl innen als auch außen am Fahrzeug werden mehr und mehr dezent beleuchtete Elemente zu sehen sein. Ein brandaktuelles Beispiel dafür ist etwa der beleuchtete Kühlergrill an unserer neuen E-Klasse.

Das ist erst der Anfang und ich denke, wir können alle gespannt sein, welche Lichtdesigns bald auf der Straße zu sehen sein werden.

 

Was sind die Herausforderungen bei der Entwicklung von Lichtsystemen?

Die größte Herausforderung ist es, immer bessere technische Lösungen zu finden, um das große Ziel von bestmöglicher Sicht für den Fahrenden und so wenig wie möglich Blendung für alle anderen zu erreichen. Besonders Spaß macht dabei, die technischen Ansprüche mit einem schönen Design zu verbinden. Sodass wir Ingenieure am Ende modernste Technologien sowohl für innovative Sicherheit als auch Ästhetik entwickeln.

 

Wie können Lichtsysteme dazu beitragen, das Risiko von Unfällen mit Fußgängern und Radfahrern zu reduzieren?

Die Grundfunktion von Lichtsystemen ist es, den Fahrenden – sei es im Auto oder auf dem Fahrrad – die bestmögliche Sicht zu geben. Nur mit Licht kann ich den Fahrbahnverlauf oder drohende Gefahren frühestmöglich erkennen. Denn abgesehen von dem Bereich, den ich selbst beleuchte, ist es nachts weitestgehend dunkel. In Siedlungen gibt es zwar Straßenbeleuchtungen, die Sicht ist aber trotzdem deutlich schlechter als tagsüber. Lichtsysteme sind deshalb unabdingbar. Speziell für Fußgänger haben wir in unserem DIGITAL LIGHT System die Spotlight Funktion integriert. Sie markiert erkannte Fußgänger auf der Fahrbahn mit einer Lichtprojektion und macht sie so besser sichtbar.

 

Gibt es Lichttechnologien, die speziell dafür entwickelt wurden, die Verkehrssicherheit von Kindern zu verbessern?

Kinder sind Verkehrsteilnehmer – mit kleinerer Körpergröße und ein bisschen weniger Erfahrung vielleicht. Es gibt Lichtfunktionen wie zum Beispiel das Citylicht, das besonders in städtischen Gebieten – und damit bei langsamer Fahrt vor Schulen – für eine sehr breite Lichtverteilung sorgt. So erkennt man besser, wer seitlich auf dem Gehweg unterwegs ist. Oder auch das Kreuzungslicht, welches an den Seiten nochmal etwas heller wird, damit die Fahrenden frühzeitig erkennen, ob dort gerade Leute stehen, die über die Straße möchten. Solche Funktionen kommen natürlich insbesondere Kindern zugute, da sie davon profitieren, dass Autofahrer aufgrund ihrer größeren Erfahrung für sie mitdenken. Und die können das nur, wenn sie die Kinder frühzeitig erkennen.

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Welche Rolle spielen Beleuchtungssysteme bei der Verkehrssicherheit von Kindern im Vergleich zu anderen Sicherheitsfunktionen?

Für mich steht das Thema Licht – zumindest für die Verkehrssituation Nacht – ganz oben. Denn ohne Licht würden einen weder andere Verkehrsteilnehmer erkennen, noch könnte man selbst irgendetwas sehen. Und im Kontext von Kindern, die noch nicht so viel Erfahrung im Straßenverkehr haben und deshalb nicht immer richtig handeln, ist ein ordentliches Licht umso wichtiger, weil man Situationen so viel früher erkennen und bewerten kann.

 

Welche Tipps würdest du Eltern geben, um die Sichtbarkeit ihrer Kinder zu verbessern?

Eine der zentralen Fragen ist, was die Kinder anhaben, wenn sie sich im Dunkeln im Straßenverkehr bewegen. An heller Kleidung und Reflektoren führt deshalb kein Weg vorbei. Wer mit einem Fahrrad unterwegs ist, braucht zudem eine verkehrstaugliche Beleuchtung. Ein weiterer wichtiger Punkt ist sicherlich das Verhalten der Kinder: Dadurch, dass die Sicht nachts ohnehin schon deutlich schlechter ist, sollten beispielsweise Straßen nur an gut einsehbaren Stellen überquert werden. Noch besser sind natürlich Zebrastreifen und Ampeln.

 

Wie gelingt es, den Kindern die Bedeutung des Themas klarzumachen?

Eine Möglichkeit wäre beispielsweise, wenn man mit dem Auto in der Stadt unterwegs ist, seine Kinder zu bitten, sich mal umzuschauen und darauf zu achten, wer alles auf der Straße unterwegs ist. Gemeinsam kann man dann die Frage besprechen, ob diese Personen aufgrund ihrer Kleidung gut oder schlecht zu erkennen sind. Während jemand mit weißen Turnschuhen und reflektierender Jacke natürlich gut sichtbar wäre, würde man die Person mit schwarzer Jeans und dunklen Lederstiefeln nur schwer erkennen. Experimente wie dieses sind meiner Meinung nach sehr prägend für Kinder, weil sie die Situationen mit ihren eigenen Augen erfahren und bewerten können.